Das "Kartoffeldenkmal" in Holleben (Beuchlitz)
Liebe Heimatfreunde,
in unseren Dörfern gibt es immer wieder Neues zu entdecken. Oft verbergen sich hinter den unscheinbarsten Zeugnissen der Vergangenheit die interessantesten Geschichten. So erinnert zum Beispiel das sogenannte „Kartoffeldenkmal“ (Abb. 1) im ehemaligen Beuchlitz (seit 1939 zu Holleben gehörig) an den Bayrischen Erbfolgekrieg von 1778/79 und ist damit eines der ältesten erhaltenen Memoriale unserer Gegend.
Der an der Ernst-Thälmann-Str. 17 gelegene Obelisk folgt in seiner Gestaltung antiken Vorbildern. Besonders im Klassizismus ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fanden solche rechteckigen Spitzpfeiler überregional weite Verbreitung. Das aus mehreren Komponenten bestehende Beuchlitzer Denkmal erreicht in seiner Gesamthöhe nahezu 3,30 Meter. Ein aus Bruchsteinen errichteter quadratischer Sockel bildet das Fundamt. Darauf baut ein aus Fußgesims, Schaft und Kranzgesims bestehendes Postament auf, dass durch einfache hervorgehobene Zierflächen seitlich geschmückt wird. Eine ca. 1,60 hohe, sich nach oben verjüngende Stele, die in einer pyramidenförmigen Spitze endet, komplettiert den sandsteinernen Obelisken. Die nach Osten zur Straße gewandte Schauseite des Denkmals wird mit einem Ehrenkranz umsäumten Medaillon geschmückt (Abb. 2). Es ist anzunehmen, dass diese Kartusche eine inzwischen verschwundene ovale Tafel mit Widmungsinschrift rahmte. Über dem Schmuckfeld deutet sich ein rankenumschlungenes Kreuz oder Schwert an. Die Initialen I.F.D.A. auf der Nordseite des Denkmals werden von verschiedenen Autoren als Steinmetzzeichen gedeutet.
Gestiftet wurde das Monument im Jahr 1779 durch Christoph von Billerbeck (1714-1790), Major der königlichen Leibgarde und Adjutant von Friedrich II.;auch bekannt als Friedrich der Große oder umgangssprachlich der „Alte Fritz“. Aufgrund seiner militärischen Verdienste im preußischen Heer war von Billerbeck zu dessen Günstling aufgestiegen. Infolge der wohl durch den Monarchen arrangierten Hochzeit mit Karoline von Stecher war von Billerbeck in den Besitz des Rittergutes in Beuchlitz gelangt. Beleg für die enge Verbindung zwischen dem Preußenkönig und Christoph von Billerbeck ist eine Eintragung im Register der Beuchlitzer Kirche aus dem Jahr 1757, in der Friedrich II. als Pate bei der Geburt des ersten Sohnes des Majors erscheint.
Als enger Vertrauter Friedrichs des Großen kämpfte von Billerbeck auch an dessen Seite im Bayrischen Erbfolgekrieg. In diesem rangen Preußen und Österreich um die Erbansprüche in Bayern, nachdem die bayrische Linie der herrschenden Wittelsbacher ausgestorben war. Die Ansprüche des rechtmäßigen Erben Karl Theodor von Pfalz-Zweibrücken erkannte Kaiser Joseph II. aus dem Hause der österreichischen Habsburger nicht an. Zur Machtdemonstration marschierte daraufhin der Preußenkönig mit einem 80.000 Mann starken Heer in Böhmen ein. Da sich die Kampfhandlungen in diesem Krieg wohl nur auf einzelne Auseinandersetzungen um Kartoffeln auf den Äckern beschränkten, wurde der Konflikt spöttisch als „Kartoffelkrieg“ bezeichnet. Auch wenn es zu keinen nennenswerten militärischen Aktionen kam, starben dennoch infolge des schlechten Wetters und der katastrophalen Versorgungslage 1.500 Soldaten an Seuchen wie der Roten Ruhr. Mit dem Vertrag von Teschen (heute Cieszyn/Polen) 1779 wurden die Feindseligkeiten beigelegt und die Ansprüche Preußens anerkannt.
Zur Feier des Friedensschlusses ließ von Billerbeck den Obelisken nahe seinem Anwesen errichten. Zu diesem Zeitpunkt war der Denkmalsplatz noch ein freigelegenes Areal an der westlichen Seite der alten Halle-Lauchstädter Chaussee. Die exponierte Lage und der monumentale Aufbau des Memorials erzeugten so eine weithin sichtbare repräsentative Schauwirkung (Abb. 3). Eine Änderung der Straßenführung und die später errichtete umliegende Wohnbebauung führten zu der heute vorliegenden abseitigen Situation des Gedenksteines und ließen ihn in Vergessenheit geraten.
Wie eine Abschrift der Hallischen Zeitung vom Januar 1881 in der Hollebener Kirchenchronik zeigt, war die Denkmalsinschrift noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein lesbar. Demnach lautete der ursprünglichen Widmungstext:
In memoriam laetae pacis reparatae hunc lapidem erexit die XIII maii MDCCLXXIX
(Zur Erinnerung an die glückliche Wiederherstellung des Friedens hat er diesem Stein am 13.Mai 1779 errichtet).
Anlässlich des 240-jährigen Stiftungsjubiläums hatte es sich der Heimatverein Holleben zur Aufgabe gemacht, das inzwischen stark verwitterte Denkmal zu restaurieren. Dank des ehrenamtlichen Engagements der Vereinsmitglieder sowie zahlreicher Spenden konnte das Monument am 8. September 2019 zum „Tag des offenen Denkmals“ im Rahmen einer kleinen Einweihungsfeier der Öffentlichkeit übergeben werden.
Zusammen mit dem zeitgleich errichteten „Kartoffeldenkmal“ von Dieskau (Gemeinde Kabelsketal, Saalekreis) ist der Beuchlitzer Gedenkstein nicht nur von historischem Wert, sondern vor allem ein frühes Zeugnis der Erinnerungskultur in der Region, dass an einen heute fast völlig aus dem Blickwinkel der Geschichte verschwundenen Konflikt erinnert.
Mike Leske M.A.
(Stand 09. September 2019)
Literatur:
• Joachim Kampe u.a., Streifzüge durch die Geschichte Hollebens, Leipzig 2016.
• Paul Hädicke, Hollebener Heimatbuch oder Chronik der Landgemeinde, 1958, ergänzt und weitergeführt von den Heimatfreunden Herbert Kampe
u. Albrecht Vogt, Holleben 1982.
• Erich Scherer, Hans Christoph von Billerbeck. Obrist und Kommandeur des I. Bataillons Leibgarde (Nr. 15) Friedrichs des Großen.
Zwischen Beuchlitz und "Kartoffelkrieg", Halle 2017.
Internet:
• https://www.gemeinde-teutschenthal.de/de/teutschenthaler-heimatgeschichten/ein-fast-vergessenes-schmuckkaestchen-schloss-beuchlitz-und-die-muschelgrotte.html (Zugriff am 02.08.2019)
• http://www.heimatvereinholleben.de/kartoffeldenkmal.html (Zugriff am 02.08.2019)
Quellenrecherche dank der freundlichen Unterstützung von Frau Birgit Günther und Herrn Martin Stüber (beide Heimatverein Holleben).